B. E. Halen: Pilgrimage in the Middle Ages

Cover
Titel
Pilgrimage in the Middle Ages. A Reader.


Herausgeber
Halen, Brett Edward
Reihe
Readings in Medieval Civilization and Cultures 16
Erschienen
Toronto 2011: University of Toronto Press
Anzahl Seiten
385 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Hiram Kümper, Historisches Institut, Universität Mannheim

Die Reihe Readings in Medieval Civilization and Cultures bietet seit etwas mehr als zehn Jahren verlässliche Sammlungen ins Englische übersetzter Quellenauszüge zu Grundthemen der mittelalterlichen Geschichte. Auch wenn der englischsprachige Unterricht in mittelalterlicher Geschichte an den Universitäten des deutschen Sprachraums – allen politischen Signalen für eine so verstandene Internationalisierung zum Trotz – noch ziemlich selten ist, kann eine solche Sammlung auch hier nützlich sein: zum einen, weil Vergleichbares in deutscher Sprache bislang fast ausschliesslich in Bearbeitungen für die Schule, nicht aber für den Hochschulunterricht unternommen worden ist, zum anderen, weil manches Material schlicht in keiner deutschen Übersetzung vorhanden sein dürfte, der Griff zur ursprünglichen Fassung aber den Leser regelmässig an seine sprachlichen Grenzen bringt. Da helfen auch dem deutschsprachigen Unterricht solche Teilausgaben in immerhin einigermassen voraussetzbaren Sprachen. Gerade für arabische Quellen etwa sind die einzigen Übersetzungen in moderne westliche Sprachen häufig ins Englische oder Französische unternommen worden.

Nach einer leider sehr kurzen Einleitung gruppieren sich die insgesamt 72 Quellenauszüge der Sammlung in acht Kapiteln, die im Grossen und Ganzen chronologisch aneinander anschliessen. An die spätantiken Wurzeln des christlichen Pilgerwesens (Kapitel 1), schliesst sich das Frühmittelalter an (Kapitel 2). In beiden Kapiteln spielen der Sache nach Hagiographie und Märtyrererzählungen eine wichtige Rolle. Kapitel 3 gruppiert sich um Jerusalem als Zentralplatz des Pilgerwesens, nicht nur für Christen, sondern auch für Muslime. Das wird im fünften Kapitel wieder aufgegriffen, das unter dem Titel Pilgrimage and Holy War unter anderem auch den Bericht der Gesta Francorum von der Eroberung Jerusalems 1099 und die Pilgerreise des Peter von Amien («der Einsiedler») bietet. Zuvor aber liegt chronologisch noch Kapitel 4, das sich mit der neuen Blüte des Pilgerwesens um das Jahr 1000 auseinandersetzt. Etwas uninspiriert ist das sechste Kapitel, das im wesentlichen Bekanntes – neben dem Reliquientraktat des Guibert de Nogent das Pilgerhandbuch für Santiago di Compostela und den bekannten Mirakelbericht vom Becket-Schrein – bietet, die schon häufiger in ähnlichen Quellensammlungen abgedruckt wurden. Interessant dagegen ist, dass Herausgeber Whalen statt der häufig reproduzierten Maria Magdalenen-Legende aus der Legenda aurea des Jacobus de Voragine eine eigB. E. Halen: ene Übersetzung aus dem Dossier Vézelin de Marie Madeleine wählt. Kapitel 7 führt aus dem Mittelmeerraum und Westeuropa nach Asien und tiefer nach Afrika hinein. Hier lesen wir etwa Berichte muslimischer Hidschad oder von der Pilgerreise des Nestorianers Rabban Bar Sauma aus dem heutigen Peking nach Jerusalem. Im achten und letzten Kapitel wird dann das christliche Pilgerwesen des Spätmittelalters bis hin zu den Auseinandersetzungen mit Reliquien und Pilgerfahrt durch Thomas More und Martin Luther behandelt. Mit einer spannenden Quelle des frühen 16. Jahrhunderts, einem Fronleichnamsspiel nämlich, das missonierende Franziskaner und missionierte Tlaxcalteken 1539 in Tlaxalca aufführten, und das eine fiktive christliche Wiedereroberung Jerusalems zur Aufführung brachte, endet der Band.

Jeder Quellenauszug wird mit einer kurzen Einleitung und genauem Quellennachweis eingeleitet und von einer oder mehreren Fragen an den Text beschlossen. Ein Sachindex hilft beim Auffinden einschlägigen Materials. Die Quellenauswahl ist in ihrer Exemplarität im Grossen und Ganzen überzeugend, chronologisch wie geographisch ausgewogen und nimmt das mittelalterliche Pilgerwesen auch als religionsübergreifendes Phänomen ernst. Etwas zu kurz kommen über die sehr starke Betonung von Fernreisen, insbesondere der Pilgerfahrt nach Jerusalem, die reginonalen Wallfahrten. Dringend gewünscht hätte man sich ausserdem eine etwas eingehendere Einleitung und – mit Blick auf das Zielpublikum – zumindest eine Auswahlbibliographie, besser noch einen kommentierenden bibliographischen Wegweiser, wie er in ähnlichen Publikationen ansonsten längst üblich ist.

Redaktion
Veröffentlicht am
22.06.2015
Autor(en)
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Kooperation
Die Rezension ist hervorgegangen aus der Kooperation mit infoclio.ch (Redaktionelle Betreuung: Eliane Kurmann und Philippe Rogger). http://www.infoclio.ch/
Weitere Informationen
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit